Jost Wischnewski
DEM DEUTSCHEN VOLKE, 2022
Die Welt als Stille und Quarantäne
Fünf Fragmente zu dem Projekt „DENK ANSÄTZE“ von Jost Wischnewski
IV.
Die Darstellung von menschenleeren Räumen kennen wir aus der (modernen) Kunstgeschichte, vor allem denkt man da wohl an die Gemälde von Giorgio de Chirico (1888 - 1978), dem Hauptvertreter der „Pittura metafisica“. Menschenleere Idealarchitekturen fügen sich bei ihm zu Bildern einer irritierenden Kulissenwelt, die allgemein als Vorläufer des Surrealismus und der Neuen Sachlichkeit gelten. De Chiricos leere Plätze stehen für eine Metaphysik, deren „Ruhe“ und „sinnlose Schönheit“ ästhetisch wohlkalkuliert „jeder Wirrnis und Verschwommenheit genau entgegengesetzt ist“, so der Künstler 1919 selbst. Schon dieses Beispiel aus der Bildenden Kunst zeigt, was im „richtigen Leben“ ebenfalls zu beobachten ist: Einsame Stille und Menschenleere können ganz unterschiedliche Modi des Lebens bestimmen, das Spektrum reicht von einer besinnlich-heiligen Ruhe über die „romantische Einsamkeit“ in der Natur bis hin zu einer durch Isolation generierten Leere, die aus Notlagen wie der einer Pandemie entstanden ist. Wischnewskis Projekt „DENK ANSÄTZE“ bedenkt ganz offensichtlich letzteren Modus und tippt Fragen an, die er selbst so formuliert: „Wird eine Normalität nach der Pandemie wieder möglich sein?“ Und „Wie können wir uns zukünftig auf derartige Notstände einrichten?“ Schließlich: „Wohin haben sich die Empfindungen jetzt verlagert?“
Raimar Stange, Berlin 2022