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STADION 2, 2022

 

Die Welt als Stille und Quarantäne

Fünf Fragmente zu dem Projekt „DENK ANSÄTZE“ von Jost Wischnewski

III.


Schauen wir uns jetzt zwei dieser Aufnahmen etwas näher an, zunächst eine, die mehrere Sitzreihen in einem Fußballstadion zeigt. Gleichsam „in Reih und Glied“ sind da die blauen Kunststoffschalen dieser Sitze neben- und aneinandergereiht, unter ihnen ist ein monochromer brauner Boden sichtbar. Die, wenn man so will, steril-minimalistische Ästhetik dieses Fotos zeugt von genau der „geometrischen Genauigkeit“ „reiner Liniengefüge“, die schon der Kulturkritiker Siegfried Kracauer in seiner Schrift „Das Ornament der Masse“ 1927 als charakteristisch für die Inszenierung von Menschenmengen ausgemacht hatte. Gerade die Abwesenheit dieser Menge nun legt paradoxerweise in Wischnewskis Foto diese sich technoid gebenden Charakteristika schonungslos offen. Gleichzeitig aber erweckt die Aufnahme, die natürlich an die vergleichsweise „unbeschwerte“ Zeit vor der Pandemie erinnert, dennoch eine Sehn-sucht nach den präzise organisierten Besucher-strömen der abertausenden Fußballfans in den Stadien. Werkzeuge für die Regulierungen dieser Besuche hat Wischnewski dann ebenfalls abgelichtet: Funktionslos gewordene Gitter, die eigentlich Besuchermassen lenken sollen, liegen da übereinandergestapelt, dichtgedrängt in mehreren Blöcken, so wieder als mehr oder weniger wohlgeordnetes Liniengefüge erscheinend, in hellem Zink grau auf dunklem Boden. Ein Mensch aber ist wiederum weit und breit nicht zu sehen.

Raimar Stange, 2022
 

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